Kurzgeschichten

Mauerlieben, 28 Berliner Liebesgeschichten vom Mauerbau bis Mauerfall,

2010 bis 2016, im R.G. Fischer Verlag. Es handelt von Menschen aus der Zeit, als die Mauer Ost- und Westberlin teilte. Vor jede Geschichte habe ich die politische Situation Ost- und Westdeutschlands vorangestellt. Das Buch kann nur noch über mich bezogen werden. Eine Neuauflage ist angedacht.

Rezensionen waren im Vorwärts Verlag und in der Freien Psychotherapie erschienen. Ich erzähle von Menschen und ihren Schicksalen, von ihren Ängsten, Schwächen und Stärken und – von ihrer Liebe zum Leben.

Hier die Rezension der Freien Psychotherapie vom Heft 4/11:

„Dieses Buch der Diplom-Pädagogin, Heilpraktikerin und Entspannungs- und Atemtherapeutin Mathilde Zeidler ist sowohl ein Stück Weltgeschichte als auch Kulturgeschichte in Verknüpfung mit Episoden aus 28 verschiedenen Lebensgeschichten. Sie stellt in all ihren Protagonisten kleine Schnipsel aus einer deutsch-deutschen Wirklichkeit vor, …“ Weiter heißt es:

„28 Jahre Berliner Mauer zeigen unterschiedliche Bilder der Menschen dies – und jenseits des „antifaschistischen Schutzwalls“. In den frühen Jahren waren sich die Menschen irgendwie noch vertrauter, dann griff das System der DDR immer mehr in das Privatleben der dort lebenden Personen ein, und der Leser spürt deutlich, dass alle beschriebenen Charaktere mehr und mehr unterschiedlichen Geistes Kinder werden. Und allmählich findet wieder ein Umbruch in den Köpfen statt, da ist dann plötzlich die tiefe Sehnsucht danach, dass zusammenwachsen soll, was zusammengehört.

Im Vorwort kann man das human ausgerichtete Menschenbild erkennen, mit dem Mathilde Zeidler Lebensgeschichten von Menschen betrachtet. Ihre jahrzehntelange Arbeit mit Menschen unterschiedlichster Herkunft und Schichten prägten dieses Bild. Als Dozentin bei den Paracelsus Schulen erlebte sie immer wieder, wie dankbar die Teilnehmer sind, wenn sie aus ihrer Praxis Falle und den Therapieverlauf schilderte. Jeder Einzelne ist eingebettet in einen Kontext von gesellschaftlichem und politischem Handeln, In den „Mauerlieben“ berichtet sie von unterschiedlichsten Menschen, von den individuellen Lebensweisen und ihrer Liebe zum Leben.

Dieses Buch enthält eine Menge geschichtlicher Hintergrundinformationen, die jeder kleinen Episode vorangesetzt werden. Für etliche Leser ist das noch erlebte Geschichte, für jüngere Menschen nur noch Lehrstoff aus dem Geschichtsunterricht. Wie war das noch gleich mit dem Vier-Mächte-Abkommen? …usw. “

Ende der Rezension

Drei Leichen im Gästezimmer

wurde als Abschlussarbeit zum Schriftstellerdiplom im Der Frankfurter literarische Lustgarten 2015 veröffentlicht.

Aus dem Inhalt:

„Ich kann es nicht erklären, wie diese drei Frauen, in der Blüte ihres Lebens, zu Tode kamen und warum gerade jetzt, wo ich mit meinen Mietrückständen zu tun habe und nicht weiß, wann ich aus dieser Wohnung fliege.

Fassungslos stehe ich in meinem Gästezimmer. Eigentlich ist es das schönste Zimmer in meiner Wohnung. Zwei Wände sind verglast, davor die offene Terrasse, die um das ganze obere Stockwerk läuft, zu der auch mein Eigentümer Zugang hat. Ich gehe raus, frische Luft für meinen angespannten Körper. Kleine Wolken schieben sich vor den blauen Himmel und warten auf die große Kraft des Windes, der sie in die Ferne treibt. ….“

Etwas später weiter:

„… Ich höre seine Schritte, schnell zurück zu meinen drei Leichen.

Vorhänge zuziehen, er soll sie nicht sehen. Er stellt sonst Fragen, ruft die Polizei. Die glauben, ich hätte alle umgebracht. “Wieso haben sie keine Hilfe geholt?“ „Ich konnte keine Hilfe holen. Ich wusste nicht dass sie sterben werden. Bei zweien jedenfalls. Ich habe festgestellt, dass sie tot sind.“ „Woran?“ „Sie haben nicht mehr geatmet. Ihre Augen starrten zur Decke. Ich habe mich über den Mund gebeugt und keinen Atemzug gespürt. Das habe ich bei zwei Leichen gemacht. Wie die dritte hier her kommt, kann ich mir nicht erklären.“

Später weiter:

„Ich muss sie verschwinden lassen. Aber wie? Ich rufe einen Bestatter an. Sie sollen sie abholen. Nein, nicht telefonieren, ich gehe auf die Straße. Am Ende der Straße gibt es ein Beerdigungsinstitut. “Ich möchte, dass Sie drei Leichen abholen und in einen Sarg packen. Am besten, wenn es dunkel ist und keiner es sehen kann. Alle drei auf einmal. Es sind schlanke Leichen, sie passen in einen Sarg. Der Deckel ist hoch genug, es gibt reichlich Platz darin.“ Ein erstauntes Gesicht sieht mich an: „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Jeder Sarg ist für eine Leiche, ein Totenschein, ein Personalausweis, eine Krankenversicherung und alles andere besprechen wir dann. 

Nichts davon kann ich vorweisen. Ich spüre den Asphalt unter meinen Füßen, habe Angst. Ich will nicht in meine Wohnung zurück. Vielleicht habe ich sie alle getötet und weiß nichts davon? Amnesie? Ich habe kein Tötungsmotiv, warum also töten? Ich kann aber auch nicht beweisen, dass ich es nicht war… “

Die Geschichte nimmt dann einen nicht Verlauf, der nicht erwartet wird.

Mando zwischen Himmel und Erde,

in Kinder, Kinder! – Erinnerungen an die Kindheit, August von GoetheLiteraturverlag, Frankfurt am Main2014

Zum Text:

„Mando wuchs in keinster Weise gut behütet auf. Sie war ständig allein und auf sich gestellt, verlebte den Tag mit den ihr aufgetragenen Arbeiten und konnte stundenlang auf ein goldgelb schimmerndes Weizenfeld schauen, in dem sich die blauen Köpfchen der Kornblumen und des roten Klatschmohns versteckten und zusammen mit den Ähren einen romantischen Tanz vollführten. Dabei erahnte sie lustvoll deren Melodie.

Ganz in der Ferne, wo der Horizont die Erde küsste und sich mit ihr in Liebe verschmolz, sah sie vorbeiziehende Vogelscharen auf ihrer langen Reise ins Nirgendwo. Sie folgten scheinbar einer inneren Lebensuhr.

In der stillen Einsamkeit wünschte sich Mando, dass sich etwas Besonderes ereignen würde. Wenn sie dieses Naturschauspiel betrachtete, verschmolz sie mit ihrer Umgebung und glaubte, von ihr eingefangen zu sein. Mit den ziehenden Wolken wollte sie entfliehen in eine andere Welt, dahin wo alle ihre Wünsche in Erfüllung gehen würden. Sie floss in Gedanken mit dem Wasser des nahegelegenen Baches in die unendlich scheinende Meeresflut, flog mit den Vögeln zusammen zum Himmel, um ihn zu umarmen und zu küssen. Sie erhoffte sich, ihren Vater einmal zu sehen, der vor ihrer Geburt im Krieg gefallen war.“

Im weiteren Verlauf ereignet sich viel. Das ungewöhnliche Alltagsleben eines kleinen Mädchens wird geschildert. Mando erlebte in ihrem Umfeld trotz Gewalt und Demütigungen auch Anerkennung durch eine Person, die sich schützend ihrer annahm, ihre kreativen Seiten erkannte und förderte. Es ist meine Geschichte.

Rotznase,

in Neue Literatur 2016/2017 Seite 77, August von Goethe Literaturverlag Frankfurt am Main

Eine kleine Liebesgeschichte. Aus dem Text:

„Es ist kalt – fühlbar kalt und mich durchzieht ein Schaudern, als ob ein großer Eiszapfen von der Halswirbelsäule aus sich langsam durch den ganzen Leib nach unten ausdehnt. Ein trichterförmiges Vakuum füllt sich langsam mit Eiswasser, das alle Hohlräume in meinem Körper ausfüllt. Die Kälte dringt von innen nach außen, umfasst meinen ganzen Körper, der sich im Schütteln hin und her bewegt und dadurch Wärme erzeugt.

Während mein Körper sich dem Kampf zwischen Abwehrkräften und Bakterien hingibt, weder Sieg noch Niederlage abzusehen ist, kämpft meine Freundin Monika mit den großen Fenstern, um sie zu schließen. In meinen Ohren ist das Fällen eines Baumes zu hören. Mein Leiden ignoriert sie sichtlich Sie ist wütend auf mich und ich weiß auch warum.“

Später heißt es:

„Von meinem Bauch zieht ein Gefühl von Zärtlichkeit den Rücken hinauf, als ich ihn sehe. Er setzt sich an mein Bett, nimmt meine Hand und fragt mich: „Wie geht es dir jetzt? Bald kannst du wieder die freche, kleine Rotznase sein, die du immer gern spielst.“

Ich bin zu schwach, um mich darüber aufzuregen. Ich lächle. Er beugt sich über mich und küsst meine Stirn. „Wenn du dich am Sonntag gut fühlst, kannst du mitkommen. Wir feiern auf der Pferdekoppel meinen Geburtstag.“ Ich will gar nicht wissen, wie alt er ist, denn ich weiß, dass er zu alt für eine 18jährige ist. Aber ich will dieses Gefühl genießen, so lange es anhält: Wie in einem sicheren Boot, das durch schöne Landschaften treibt, gefolgt von bunten Schmetterlingen…“

Ferrari und das Rote Kreuz,

Das große Vorlesebuch 2017, Von Zwergen, Hexen und anderem Alltäglichen, August von Goethe Literaturverlag Frankfurt am Main, Seite 185

Aus dem Text:

„Ach, du dickes Ei! Heute ist wieder einmal Ostern, Ich sitze im warmen Wohnzimmer und überlege, was ich heute tun will. Es gibt viele Möglichkeiten, die ich nach meiner Lieblingsskala von 1 bis 10 abwäge. Ostern ist das Fest der Auferstehung und ich denke daran, wie ich als Kind und Jugendliche den Ostersonntag verbrachte. Morgens war der Gang zur Kirche obligatorisch. Das „Halleluja“ wurde mit Inbrunst gesungen, da die letzten Wochen, was das Essen betraf, mager ausfielen. Die Fastenzeit war vorüber und die Mutter war den ganzen Vormittag mit Kochen beschäftigt. Der Karfreitag war der schlimmste Tag im Jahr. Es gab zum Frühstück warme Milch mit Haut, zum Mittag Fischsuppe mit Makkaroni, am Nachmittag geplatzten Mais, den man heute Popcorn nennt. Nirgends konnte man hin. Die Kinos waren geschlossen, denn es wäre eine Todsünde gewesen, wenn man sich an diesem Tag vergnügen würde. So machten die Menschen, denen man begegnete, dementsprechend traurige und missmutige Gesichter.

Aber am Ostersonntag, da gab es für jedes Kind einen Korb voll bunter Ostereier und eine große Blockschokolade. Vor dem Kirchgang konnten wir Kinder eine Runde Eierwerfen spielen, denn, wer das Ei auffing, durfte es essen. Viele landeten auf dem Boden Sie zerbrachen und das bisschen Staub und Dreck an den Eiern wurde einfach weggepustet.

Draußen sind es 12 Grad und das am 27. März 2005. Das Osterfest ist dieses Jahr sehr früh. Meine Gedankengänge werden jäh unterbrochen, als das Telefon klingelt. „Frohe Ostern, liebe Mama, was machst du heute an diesem schönen Tag?“, fragt die sich räuspernde Stimme meines Sohnes. Ich will antworten, als sein dreijähriger Sohn im Hintergrund zu hören ist. Er spricht deutlich und klar, während sein einjähriger Bruder sich an den Selbstlauten erfreut.

Ich bin mit vier Enkelkindern gut gesegnet und erfreue mich nicht nur mit den kleinen, sondern auch den großen, die schon 11 und 16 Jahre alt sind. „Ach, du bist es“, töne ich fröhlich und betont unbefangen, um nicht meine etwas traurige Stimmung zu zeigen. Ich vermeide, Vorwürfe zu machen, denn ich wäre jetzt auch gern in der Familienrunde.“

Weiter im Text:

„“Was macht ihr denn so? Ein leises Stöhnen ist am anderen Ende zu vernehmen: „Wir sind schon, wie immer“, dazwischen ein fröhliches Lachen, „einige Stunden wach, haben die Ostereiner für die Kinder versteckt, und …“ Aus dem Hintergrund ruft es: „Omi, hörst du das Auto?“ Brumm – brumm – brumm ist zu hören, dann ein surrendes gleichmäßiges Geräusch. „Ein Ferrari, Omi, hörst du?“

„Fährst du den Osterhasen spazieren?“ Ein herzhaftes Kinderlachen: „Nein, der Osterhase hat mir den Ferrari gebracht und ist noch zu anderen Kindern gegangen. Er hatte keine Zeit.“ Ich weiß natürlich, dass der zweiter Großvater Autos in jeglicher Form liebt und seit der Geburt der Kleinen ständig Autos schenkt, als ob es nichts Kreativeres als Autos gibt. Diese sind massenhaft in jeglicher Ausführung im Kinderzimmer. Beim Spiel werden sie schlangenförmig hintereinander gestellt und jedes einzelne Zentimeter um Zentimeter nach vorne bewegt. Beim Schieben geht die kleine Kinderhand sehr sorgfältig vor, damit die Schlange exakt aussieht. Dabei ist ein leises „Brumm – brumm – brrrr –brrrrr in verschiedenen Höhenlagen zu hören.

Ich liebe es, seine Autoreihe in Unordnung zu bringen, ganz aus Versehen, um zu sehen, wie er reagiert. Er schaut mich zuerst mürrisch, dann skeptisch und anschließend bemitleidenswert an, so, als ob ich ein wenig dusslig bin im Umgang mit seinem Lieblingsspielzeug.“

Später folgt:

„Omi, wenn du kommst, dann kannst du das Auto sehen“, sagt der Enkel voller Stolz. „Ja, das werde ich!“ „Horch!“ Ich höre ein rasselndes Geräusch im Hintergrund, als ob ein batteriebetriebenes Fahrzeug am anderen Ende der Leitung herumfährt. „Oh, das hört sich ja eigenartig an, was ist denn das?“, frage ich. „Das ist ein ferngesteuertes Auto.“ Ich fasse es nicht, was soll aus dem Kind werden, frage ich mich sorgenvoll.

11 Jahre später. Mein Enkel ist mit seinen 14 Jahren ein kluger, junger Mann mit musischen Interessen. Ich frage ihn, was der denn einmal werden will. „Ja, ich habe mir überlegt, dass der Opi immer Menschen geholfen hat, du hilfst immer noch Menschen und meine Papa auch. Ich glaube, ich gehe einmal zum Roten Kreuz.“ Na dann, denke ich, er ist doch gut geraten, dank seiner Eltern und – natürlich  – auch mir.“